Wahrheiten über die Lüge

„Lüge ist eine bewusst falsche Aussage, die auf Täuschung angelegt ist. Sie liegt auch dann vor, wenn Tatsachen verschwiegen oder entstellt wiedergegeben werden.“ – Das sagt uns der aktuelle Brockhaus.


Zur Lüge gehört also die Absicht. Wer lügt, weiß, was er tut. Wenn auch nicht immer warum. Das war nicht immer so. In der Historie galten Schwindelei und geschickte Täuschung als Zeichen für einen überlegenen Geist. Und wurde weder in Arabien, Asien, im Buddhismus noch im Christentum verteufelt. Erst vierhundert Jahre nach Christus wurde die Lüge als Erbsünde und Grundübel der Menschheit verdammt.


Als wir vor einem Jahr zum Thema recherchierten, staunten wir, dass es Lügenvereine gibt, ein Lügendorf, ein Lügenmuseum und sogar eine Lügenakademie, und  dass „Richtig-lügen-können“  eine Kunst ist. Nicht nur Soziologie, Psychologie und Theologie befassen sich mit der Lüge, sondern auch etliche andere Wissenschaften, darunter die Philosophie. Bereits in den 60er Jahren statuierte Hannah Ahrendt, die große, ehrwürdige Dame der Moralphilosophie in ihrer Abhandlung „Lüge in der Politik“, dass die Realitätsferne von Politikern, sogar Staatsmännern und insbesondere deren Berater, ihre „Problemlöser“ – wie Hannah Ahrendt sie nennt – unglaublich viel Intelligenz und Energie darauf verwenden, Theorien aufzustellen, um Ereignisse berechenbar zu machen, indem die tatsächlichen Gegebenheiten dabei einfach ignoriert werden. Geleitet von einem Image, das mit allen Mitteln aufrechterhalten werden muss,  - also z.B., dass Amerika die größte Macht ist oder das Image des jeweiligen Präsidenten.


Welche Politiker-Lüge würde wohl in einer Top-ten-Liste den ersten Preis einnehmen? Die des Deutschen Walter Ulbricht: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!“ George W. Bush (zum Übergriff auf den Irak): „Wir haben biologische Waffen und Waffen zur Massenvernichtung gefunden.“ Oder: „I did not have sexual relations with this woman, Monika Lewinsky.“ - Bill Clinton.


Tja, Beweggründe zur Lüge gibt es viele. Und dabei gibt es die unterschiedlichsten Arten der Lüge, auch das kleine Flunkern und Schummeln. „Die Schuhe? Sie waren im Sonderangebot.“ - „Nicht angekommen? Aber ich  habe  Dir eine Karte aus Madeira geschrieben!“ Der Kollegin sagen wir: „Die neue Haarfarbe steht dir!“ und sagen nicht: „Das Karottenrot lenkt von deiner schiefen Nase ab.“ Wir reden uns unsere Welt von erträglich bis super-schön.


Ein Hoch also auf uns Lügner? „Lügen sind soziale Schmiermittel“, schreibt die Journalistin Claudia Mayer in ihrem Buch „Lob der Lüge“ - und weiter - „Wir machen uns und anderen unser komplexes Zusammenleben mit Lügen nicht nur leichter, sondern überhaupt erst möglich. Viele unserer alltäglichen Schwindeleien sind eine Art stillschweigende, gesellschaftliche Übereinkunft.“


Ah, - wenn wir also locker – wem auch immer – „Honig ums Maul schmieren“, rhetorisch fremde Meinungen namhafter Personen übernehmen, sie als eigene ausgeben oder mit Schwindeleien ein Gegenüber mundtot machen, kann das natürlich  alles soziale Komponenten haben. Und dafür – so behaupten andere psychologisch und psychotherapeutische Wissenschaftler, - brauchen wir soziale Begabung. Hand auf Herz: Sind Sie sozial begabt? Haben Sie heute schon gelogen? Statistiker sagen: jeder von uns lügt 200mal am Tag. Und – um eine Lüge aufrecht zu erhalten, folgen mindestens 20 weitere.


Aber mal ehrlich,  wer von uns will getäuscht werden oder gar wirklich belogen sein? Wenn uns Lüge getroffen hat, fühlen wir da nicht Kränkung, Verletzung bis hin zur Missachtung? Und dennoch – indem wir selber nur zu gerne „wohltuende“ Lügen anderer annehmen – belügen wir uns ja selbst. Vielleicht, weil wir besser scheinen wollen, als wir sind oder um zu einer Gruppe zu gehören oder weil die Wahrheit so schmerzhaft ist, dass wir glauben, sie nicht aushalten zu können. Immer wieder belügen wir uns selbst und das kann dazu führen, dass es nicht mehr gelingt, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden.


Doch, meine Damen und Herren, bei Lüge und Wahrheit handelt es sich selten um Ungesagtes, sondern meistens um Sprache. Jedem Wort kommt seine Bedeutung zu. Es gilt also auf Worte, auf Sätze zu achten und wie, d.h. mit welcher Intention wir sie einsetzen. Im Gegenzug könnte das bedeuten, dass wir unsere soziale Kompetenz erweitern könnten, indem wir uns Schweigen leisten. Getrost viel mehr Schweigen, um mit Abstand ein besseres Wort zu finden und schließlich den wahr-haften Satz zu formulieren. Wäre das nicht eine Perspektive?


Unser Programm kann nur ein Ausschnitt sein, aber machen Sie sich ein Bild von „Wahrheiten über die Lüge“. Nehmen Sie Fragen und Erkenntnisse mit in die Diskussion hier im Humpis-Quartier oder mit nach Hause zu Freunden und Bekannten.